Eine richtig authentische Meinung

Ulrike vom Bambooblog hat vor kurzem für eine Blogparade eine Frage gestellt, über die man sich herrlich die Köpfe heißreden kann: Authentizität auf Reisen: Was ist das eigentlich?

Ein spannendes Thema, wir waren sofort geködert, haben hitzige Debatten geführt, uns gegenseitig die Meinungen um die Ohren geschlagen und präsentieren nun voller Stolz das (momentane) Ergebnis:

Die Ursprünge für Authentizität finden sich im Griechischen (αὐθεντικός authentikós = echt) sowie im Spätlateinischen (authenticus = verbürgt, zuverlässig).

Was im Urlaub als wirklich ‚echt‘ (sprich authentisch) wahrgenommen wird, ist vor allem eine philosophische Frage.

Echt ist, was als echt empfunden wird und den Erwartungshaltungen entspricht. Das beste Beispiel dürften wohl die potjomkinschen Dörfer sein.

Was als authentisch wahrgenommen wird, ist oft subjektives und von Nutznießern forciertes Empfinden.

Die klassische Erwartungshaltung bei Reisen leitet sich aus Büchern, Erzählungen und Bildern ab. Was letztendlich diesen Bildern entspricht, wird als authentisch empfunden.

Authentische Südsee.
Wir erwarten weiße endlose Strände und blaues kristallklares Wasser.

Südsee - copyright by MarlonBu © by MarlonBu

Es fragt sich, wie sehr solche Landschaftsbilder ’natürlich entstandene‘, sprich reel authentisch sind oder inwiefern sie eher als zwar ebenfalls reale aber für Touristen erstellte ‚künstliche Authentizit‘ zu bezeichnen sind?

Ist ein Sandstrand, der jeden Morgen vor dem Eintreffen der Gäste von Strandgut und Plastikmüll gereinigt wird, noch authentisch?

Für den üblichen Massentourist ist die Frage der Authentizität eine der letzten, die er stellt.

Ich stelle einmal die Behauptung in den Raum, daß der Standard-Tourist sich kaum für die Frage interessiert, wie authentisch die gezeigten Bilder sind. Mit jeder Urlaubsregion werden bestimmte Gegebenheiten verbunden (ohne Ausnahme) und die werden ausgiebigst bedient. Eine Art der künstlichen Authentizität wird erschaffen – nicht weniger reel als die als ‚wahr empfundenen‘ Gegebenheiten der vor Ort lebenden Menschen – aber gleichzeitig auch eine Scheinwelt speziell für den Touristen zugeschnitten.

Also zwei Formen der Authentizität.
Die Schattenseiten des Urlaubsortes – bsp. Armutsviertel, Straßenstrich, Gentrifizierung etc. fallen der vorgespielten Urlaubs-Authentizität zum Opfer.

Ein ganz anderer Aspekt von Authentizität am Urlaubsort ist das stellenweise komplett andere Verhalten des Touristen. Wie authentisch kann das urlaubsbedingte Verhalten genannt werden, wenn es sich komplett davon unterscheidet, wie der Tourist (besser Mensch wegen doppelter Wortnennung?) sich in seinem gewohnten Umfeld verhalten würde? Ist es eigentlich noch ein Wunder, daß kaum jemand als Tourist wahrgenommen werden möchte, wenn soviele dieses Menschenschlags die Urlaubszeit nutzen, um mal so richtig die ‚Sau rauszulassen‘.

Also wieviele Formen der Urlaubs-Authentizität gibt es?

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Ein Kreuzfahrer-Schiff erlebt eine besondere, ganz andere in sich geschlossene Welt, in der alles zu 100 % den Reiseprospekten entspricht. Wiederum eine Form von Authentizität und vermutlich nicht die Letzte.

Es waren sehr spannende Gespräche die letzten Tage. Vielen Dank an Ulrike für die Blogparade und hoffentlich werden sich noch viele Meinungen zu dem Thema finden.

Info-Ecke:
Wikipedia: Authentizität

10 Kommentare zu „Eine richtig authentische Meinung

  1. Da habt ihr ein paar interessante Denkanstöße in den Raum geworfen. Künstliche Authentizität für Touristen – also das, was man als Tourist am Zielort so erwartet. Deckt sich mit meinen Gedanken, dass Authentizität vielleicht einfach die Erfüllung der eigenen Vorstellungen/Vorurteile ist. Ein spannendes Thema!

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  2. Danke für diesen interessanten Artikel!
    Es ist ja auch wirklich so, dass es ja gar nicht nur eine einzige authentische Seite eines Landes gibt. Man könnte z.B. das Oktoberfest in München als unauthentische Folklore-Sauf-Kommerzveranstaltung für Touristen abtun und behaupten, eine Plattenbausiedlung in Berlin, in die sich kaum ein Tourist verirrt, sei authentischer. Ich bin gebürtige Münchnerin und gehe fast jedes Jahr auf die Wiesn (wie wir das Oktoberfest nennen) mit Freunden, obwohl es nicht mein Lieblingsevent ist, aber in München gehört es schon zum Sozialleben vieler Einheimischer einfach dazu. Einen Plattenbau habe ich dagegen noch nie betreten, nicht aus Vorurteilen heraus, sondern weil es sich nie ergeben hat. Fazit: beides ist authentisch.

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    1. Hallo Isabella,

      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Wir freuen uns gerade beide einen Keks darüber. 🙂
      Authentisch ist wirklich ein sehr breitgefächerteter Begriff und gerade das machte das Thema so spannend für uns.

      wir haben hier btw. auch ein ähnliches Volksfest wie die Wiesn in der Nähe (genau genommen sogar zwei). Dort trifft sich auch immer das halbe Dorf. Ich gehe dann doch lieber in den hiesigen Biergarten – der ist ruhiger und über kurz oder lang laufen einem auch die bekannten Gesichter über den Weg. 😉

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  3. Hochinteressant! Jetzt muss ich erstmal drüber nachdenken! Ich freue mich sehr, dass dies eine Anregung war für Diskussionen und hätte gerne Mäuschen gespielt.
    Ganzlieben Dank!
    Ulrike

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    1. Ich bin mir sicher, dich bei den Debatten dabei zu haben, hätte viel Spaß gemacht. 🙂
      Wir danken für den tollen Gesprächsstoff – und wenn du noch mehr so Paraden startest, sag Bescheid.

      Ebenso lieben Gruß zurück!

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